Corporate News mit Sinn und Struktur

Unternehmenskommunikation jenseits von Presseaussendungen: Vier große heimische Unternehmen geben Einblick in ihre Strategien.

 

Im Spezialisten-Sprech nennt man sie „Direktreduktionsanlage“, dabei werden Vorprodukte zur Stahlherstellung erzeugt. Die voestalpine nahm für eine derartige Anlage im fernen Texas am 23. April 2014 den Spatenstich vor, und fast genau zwei Jahre später ging die Aufbereitungsstätte für HBI (Hot Briquetted Iron) in den Testbetrieb. Per Ende dieses Jahres sollen dann in Corpus Christi jährlich zwei Millionen Tonnen an sogenanntem Eisenschwamm hergestellt werden, wovon etwa die Hälfte nach Linz und Donawitz verschifft wird. In das Werk, mitsamt seinem Verladehafen, hat die voestalpine 550 Millionen Euro investiert. Wieso Derartiges nicht in Europa gebaut wird, ist für Peter Felsbach, Head of Group Communications der voestalpine, leicht erklärt: „Als energieintensives und international operierendes Unternehmen sind wir stark von den politischen Rahmenbedingungen abhängig. Diese wurden zuletzt zu einem enormen Kostentreiber und stellen mittelfristig einen existenzgefährdenden Faktor für die gesamteuropäische Stahlindustrie dar.“ Vereinfacht gesagt: Der Standortvorteil der USA.

Wie man trotz des „Standortnachteils Linz“ für eine Kommunikationsaufgabe in den USA ebendiese steuert, bedarf einer noch komplexeren Erklärung: Es ging in ­Texas, so Felsbach, um mehr als bloße Pressearbeit (die in über 1.000 Medienberichten mündete, etwa in Artikel in der Washington Post oder der New York Times sowie in eine Erwähnung der Investition durch Präsident ­Obama), nämlich um Stakeholderkommunikation im allerweitesten Sinne. Mit Behörden, Anrainern, Lobbyisten und anderen. „Wir wollten eine Agentur vor Ort engagieren, ­gewannen aber in den Gesprächen den Eindruck, dass wir da als Unternehmen aus Österreich kein ausreichendes Standing hatten.“ Letztlich wurde die gesamte Kommunikation in Österreich gemanagt, bloß ein voestalpine-Mitarbeiter vor Ort beackerte vier Jahre lang Stakeholder, verbuchte dabei 950 persönliche Kontakte, im Spektrum zwischen Regierungsvertretern und dem lokalen Schildkrötenverein. Die Kommunikation rund um diese größte Investition in der Geschichte von voestalpine hat ob ihrer Dimension und ob ihres Erfolges wohl Chancen, als ein „Best Case“ in die Fachliteratur einzugehen. Der Alltag in der voestalpine-Kommunikation ist oft durchaus bodenständiger, reicht neben Tagesaktuellem bis zum jährlich erscheinenden Zukunftsmagazin in zwölf Sprachen oder den Corporate Blog über Qualifizierungsprogramme für Flüchtlinge bis zu Employer-Branding-Maßnahmen an Unis.
Info- und Content-Hub
Um auch diesen Alltag kommunikativ für die 500 Unternehmen in 50 Ländern der voestalpine-Gruppe zu bewältigen, unter Einbindung aller Funktionen und Kanäle sowie Gesellschaften und Abteilungen, hat der Konzern einen Newsroom eingerichtet. Felsbach: „Darunter verstehen wir ein Organisationsmodell für die Kommunikation nach dem Vorbild von Medienredaktionen. Der Newsroom dient als Informations- und Content-Hub und hilft, einen Überblick über alle geplanten und laufenden Themen und Aktivitäten zu behalten, zu koordinieren und zu integrieren.“ Im Zentrum stehen die Themen, auch die Menschen und ihre Geschichten und nicht die Kanäle, konkretisiert Felsbach. Er betont die Wichtigkeit des Cross-Media-Publishing-Ansatzes, der helfe, die richtigen Zielgruppen mit den richtigen Botschaften auf den richtigen Plattformen zu erreichen. „Die Kommunikations- und Abstimmungswege haben sich verkürzt, Mehrfachrecherchen wurden reduziert. Wir arbeiten damit bereits sehr erfolgreich seit zwei Jahren und haben die Struktur im Konzern fix verankert.“
Nagelprobe Flüchtlingssituation
Demnächst könnten auch weitere große Player des Landes ihre Kommunikationsabteilungen als Newsroom bauen oder zumindest strukturieren. Oder haben das schon gemacht. Sven Pusswald, Leiter Konzernkommunikation & Public Affairs der ÖBB: „Wir haben uns bereits frühzeitig mit solchen Konzepten beschäftigt. Die ÖBB haben neue Newsroom-Strukturen bereits beim Handling der Flüchtlingssituation vergangenen Herbst sehr erfolgreich eingesetzt und entwickeln diesen Kommunikationszugang seither fundiert weiter.“ Dabei gehe es nicht nur um räumliche Adaptierungen, sondern vielmehr um präzise Prozesse und klare Strukturen, die in Unternehmen oftmals anders funktionierten als beispielweise in Medienhäusern, wie Pusswald anmerkt. Die ÖBB-Konzernkommunikation deckt einen Großteil der strategischen und operativen Kommunikationsagenden unternehmensintern ab.

„Natürlich arbeiten wir auch mit externen Partnern zusammen, gerade im digitalen Bereich greifen wir auf das Know-how von erfahrenen und spezialisierten Agenturen zurück. Hier zeigt unsere Erfahrung, dass es bereichernd ist, eine externe Sicht der Dinge einzuholen um den richtigen Zugang für eine erfolgreiche Onlinekommunikation zu finden“, sagt Pusswald. Inhouse werden etwa klassische Presseinformation, Beiträge für den Corporate Blog, das Intranet oder die unternehmenseigenen Inhouse Screens gestaltet, ebenso Beiträge und Artikel für die Mitarbeiterzeitung. „Wir steuern und produzieren somit den erforderlichen Content für alle Kommunikationskanäle des Unternehmens selbst.“ Bei neueren Kanälen wie Corporate TV oder Video arbeite man eher mit externen Partnern zusammen. „Das ist einerseits wichtig für die Reputation und Glaubwürdigkeit, etwa in der Zusammenarbeit mit Video-Bloggern oder auch im Content Marketing, andererseits dauert es schlichtweg auch seine Zeit, die notwendigen Skills unternehmensintern aufzubauen.“
Open-Space-Konzept
Bei der Österreichischen Post will man sich in der Kommunikation nicht auf den Begriff Newsroom festlegen. Aber, so Manuela Bruck, Leiterin der Unternehmenskommunikation: „Wir übersiedeln Ende 2017 mit der Unternehmenszentrale, und werden dort das schon angewandte Open-Space-Konzept, welches eine sehr offene und intensive Kommunikation ermöglicht, verstärken.“ Ihre Abteilung ist ein Bereich, der direkt an den Generaldirektor berichtet und ihm zugeordnet ist und wuchs personell zuletzt leicht an, auf 26 Mitarbeiter. Speziell für das Portalmanagement und für das Eventteam rüstete man auf. Die Pressearbeit oder die Inhalte des Intranets erfolgen rein inhouse, ebenso die interne Kommunikation (mit Ausnahme des Mitarbeitermagazins). Im Haus werden auch Stakeholder-Kommunikation, die Koordination von Marktforschung sowie kleinere Grafikdienstleistungen und Produktionsabwicklungen erledigt, ebenso der CD-/CI-Lead, der Webcontent, Social Media und Analytics und naturgemäß die strategische Werbung- und Kampagnenplanung aller B2C-Themen. „Oberstes Augenmerk hat die strategische Gesamtkommunikation entlang der Unternehmensstrategie“, betont Bruck.
Media und Social Media vereint
Bei der OMV hatte erst Anfang Februar 2016 Johannes Vetter die Kommunikationsabteilung übernommen. Eine seiner ersten organisatorischen Änderungen war die Zusammenführung von Media Relations und Social Media. „Damit wächst zusammen, was kommunikativ ohnehin zusammen gehört“, sagt Vetter, der überdies Gefallen an der Newsroom-Idee findet, „es gibt aber nichts Spruchreifes.“ Aktuell werden, „nicht zuletzt aufgrund der wirtschaftlichen Situation mit sehr angespanntem Ölpreisumfeld“, wie Vetter begründet, die Kommunikationsleistungen fast ausschließlich intern erbracht. In einigen Teilbereichen arbeite man sehr gut mit flexiblen EPUs zusammen, dies schon seit Jahren, quasi unter dem Motto „Weg von großen Namen, hin zu engagierten Einzelpersonen.“ Erst jüngst hat man einen Werbespot fast komplett inhouse produziert und freut sich über sehr gute Ergebnisse nach den ersten Auswertungen. Auch an mehr Owned Media für die OMV denkt Vetter: „Es gibt Überlegungen in diese Richtung. Der momentane Status ist, dass wir zum Beispiel eigene Videoproduktionen ganz gezielt über YouTube streuen.“

Externe Strategen weiter gefragt
Unternehmen werden sukzessive zu Content-Produzenten, liefern Informationen über alle Kanäle oft unter Auslassung traditioneller Vermittler. Wird die Rolle der klassischen Medien wie auch jene der PR-Agenturen irgendwann also obsolet? „Nein“, sagt Stefan A. Sengl, Managing Partner von Skills, aber es gebe die „klassischen“ Medien immer weniger, ebenso die „klassischen“ PR-Agenturen: „Es kommen neue Aufgaben dazu, die Grundanforderungen an die Kommunikatoren steigen, besonders im digitalen Bereich.“ Übliche Ausbildungsangebote reichten dafür nicht aus, so Sengl, bei Skills wird daher in die Mitarbeiterqualifikation investiert. Selbiges passiert auch intensiv bei Ecker & Partner, wie Managing Partner Axel Zuschmann bestätigt: „Das vielerorts beo­bachtete Cost Cutting der letzten Jahre war der falsche Weg. Unternehmen brauchen in der Beratung auch zunehmend Strategen für den Gesamtzusammenhang, die journalistisch denken müssen, die Corporate News so verpacken können, dass sie gerne weiter erzählt werden.“
Kurzum: Neue Dienstleistungen sind gefragt, und zukunftsfit aufgestellte PR-Agenturen haben auch neue Geschäftsfelder: als Architekten für das Aufsetzen moderner Unternehmenskommunikations-Abteilungen.

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